Angst vor´m schwarzen Tüv Teil 4 – Schraube im Reifen
Irgendwie sieht es bemitleidenswert aus,
wie mein Mini auf der Bühne hängt und seine Reifen so leblos herunterhängen. Es mag zwar utopisch klingen, aber ein Auto „leiden“ zu sehen ist das Eine, ( wie meistens ) später aber Klüger, dass es noch schlimmer sein kann, das Andere. . . Ursprünglich war unser Trip nur zum Bremsen machen ausgelegt, dass aber später
ein Reifen vergewaltigt werden musste, das wusste niemand…
Während sich also Emanuel um die Bremsen vorne gekümmert hatte und ich aufgab die Gammelschraube lösen zu wollen, begutachtete ich Lijan von allen Seiten und kam letztendlich beim Hinterrad an. Ich drehte daran und wollte mir eigentlich nur einen Einblick von der Profiltiefe und Abnutzung machen. Ist ja auch TüV relevant und ich entdeckte dort etwas, was mich erst irretierte.
Mir glitzerte in der Vormittagssonne ein abgeschliffenes Stück Schraube entgegen. Etwas verwundert begann ich auch direkt dran rumzupopeln und überlegte laut wie tief diese Schraube wohl im Reifen steckt.
Emanuel´s Wahrnehmung muss wohl sehr ausgeprägt sein, denn er bekam das in den Augenwinkeln mit und mahnte mich, die Schraube lieber in Ruhe zu lassen. Schnell lies ich von der Schraube ab und malte mir einige Szenarien aus, welche Folgen es haben könnte, diese einfach abzudrehen oder damit nochmal auf die Autobahn zu fahren.. Im Mini mit 130 km/h auf der Autobahn einen Reifenplatzer? Äh Nein!
Der Mechaniker hat entweder ein großes Verantwortungsbewusstsein, oder einfach auch weiterüberlegt. Denn als die Bremsen vorne fertig waren und die Gammelschraube besiegt war meinte er nur:
„Jetzt schau ich mir mal deinen Hinterreifen an.. „
Er suchte die Schraube im Reifen, nahm gelbe Kreide und markierte die Stelle wo die Schraube ihren Platz hielt. Mit dem Pressluftschrauber öffnete er die Radmuttern und nahm den Reifen einfach mit in eine etwas abgelegenere Ecke in dieser Werkstatt. Überrascht stellten wir fest, dass Lijan eine Spurverbreiterung hinten hat.
Im Anschluss lies er etwas Luft aus dem Reifen und spannte diesen in eine Reifenvergewaltigungsmaschiene!
Ich empfand den Anblick bis zu diesem Zeitpunkt als garnicht so tragisch, bis dieses Gerät plötzlich lautstark begann den Reifen von der Felge zu ziehen! Wie sich die Arme der brutal klingenden Maschiene in die Seitenwände des Reifen`s drückten und diese mit ächzen Nachgaben war mir vom audiovisuellen Eindruck zu viel. Mit feuchten Augen verlies ich ganz schnell den Platz des Schauderns und befürchtete das Schlimmste.
Ich fühlte mich als hätte ich machtlos bei einerTierquälerei zusehen müssen. Meine Nackenhaare standen senkrecht, man hätte Handtücher darauf aufhängen können. Ich stand unter Schock.
Zum Glück hab ich an dieser Stelle kein Selbstportrait gemacht – so traumatisiert will ich mich selbst nicht sehen. Klar ein Auto ist ein Auto und ein Reifen ist ein Reifen. Aber ich bin (so krank es auch klingen mag ) einfach überzeugt, dass mein Lijan einen Charakter hat. Es muss sich nicht jeder mit dieser Einstellung identifizieren, aber für mich ist es mein Baby – und irgendwo steckt in so einem echten Mini auch die Seele eines echten Menschen, der ein revolutionieres Auto entwickelt hatte.
Mist jetzt bin ich wieder abgeschweift. Ein guter Zeitpunkt euch darauf hinzuweisen, dass ich seit der Flucht vom Tatort die einzelnen Schritte nichtmehr live mitbekam und mich im Nachhinein nochmal danach erkundigen musste. . .
Um jetzt nicht weiter um den heissen Brei herumzureden geb ich es einfach so kompakt weiter:
Wie man einen Fremdkörper aus einem Autoreifen entfernt:
1. Fremdkörper suchen und finden
2. Fremdkörper markieren
3. Luft aus dem Reifen lassen
4. Fremdkörper entfernen
5. Fremkörper beschimpfen
6. Fremdkörper verfluchen und wegwerfen
7. mit einer Reibahle das Loch etwas weiten –
Kennt ihr das Geräusch, wenn sich ein Pärchen auf einem alten Bett sehr intensiv liebt? Wenn das Bett knirscht und das Holz quietschend aneinander reibt? Könnt ihr euch vorstellen wie brutal es klingen kann, wenn das arme Schraubenloch mit heftigen, ruckartigen und kräftigen Stößen behandelt wird? – no comment! –
8. der Schraube suchen und bestimmend zeigen was sie angerichtet hat!
9. Das Schreien des Reifen`s ignorieren
10. Das Reifenflickzeug einziehen
( das Zeug sieht aus wie eine bestimmte Wurst in einer bestimmten Farbe )
11. überstehende Reste entfernen
12. Reifen aufpumpen ( 1,8 Bar ) und mit
13. Lecksuchspray prüfen ob alles dicht ist.
Völlig fertig mit der Welt nach dieser traumatisierenden Erfahrung registrierte ich nichtmal, dass Emanuel den geflickten Reifen schnell wie bei der Formel 1 wieder an Lijan festgeschraubt hat.
Jetzt müssen wir uns nurnoch um das Spureinstellen kümmern. Da konnte Emanuel Fingerspitzengefühl zeigen und beweisen, dass er auch zärtlich sein kann. Aber lasst mich bitte erst die Reifenvergewaltigung verdauen!